Als Spezialklinik gegen Tuberkulose entsteht in Hohenlychen eine der modernsten und erfolgreichsten Heilstätten Europas.
Um die Jahrhundertwende sind in Deutschland eine Million Menschen an Tuberkulose erkrankt, 100.000 sterben jährlich daran. Sie grassiert vor allem bei der armen Bevölkerung, deren Lebensverhältnisse eine Ansteckung begünstigen und eine Behandlung erschweren. Das Rote Kreuz sagt diesem „inneren Feind“ den Kampf an und errichtet zahlreiche Heilstätten, darunter Hohenlychen nördlich von Berlin.
Das Lungensanatorium erlangt bald einen legendären Ruf. Wann immer Großspenden eingehen, wird die Anlage erweitert, bis sie schließlich zwanzig Hektar und fünfzig Gebäude umfasst. Halb Waldhäuser und halb Seebädervillen, thronen sie am Hochufer über dem Zenssee. In den zwanziger Jahren leistet Hohenlychen Pionierarbeit bei Entziehungskuren für Rauschgiftsüchtige und in der Ausbildung von Blindenführhunden; auch eine Schwesternschule und ein Kinderheim gehören dazu.
Auch später spiegelt das Schicksal von Hohenlychen den jeweiligen Geist der Zeit. Als die Zahl der Tuberkulosepatienten allmählich zurückgeht, spezialisieren sich die Heilstätten auf Sport- und Arbeitsverletzungen und bereiten deutsche Athleten auf Olympia vor. Während des „Dritten Reiches“ werden sie als Vorzeigeeinrichtung geführt; bei der Politprominenz gehört es fast zum guten Ton, sich hier behandeln zu lassen. Im Krieg dienen Teile der Anlage dann als Lazarett für die SS und die Wehrmacht. Mehrere Mediziner betreiben dort mörderische Menschenversuche, vor allem an Häftlingen des nahen Konzentrationslagers Ravensbrück. Einige werden dafür später in den Nürnberger Ärzteprozessen verurteilt. Zu DDR-Zeiten führt die Rote Armee Hohenlychen dann als Militärhospital. Nach der Wende steht die Anlage lange leer; von einem der Flaggschiffe des deutschen Gesundheitswesens scheint nur ein nobles Wrack zurückzubleiben. Mittlerweile aber sind zumindest Teile davon restauriert und in Ferienwohnungen und eine Seniorenresidenz umgewandelt worden.